08.01. - 09.05.2024
Nachdem ich Anfang Januar von Texas nach Wisconsin zurückgekehrt bin und mich intensiv mit der Jobsuche beschäftigt habe, habe ich endlich einen Platz in Kanada gefunden, an dem ich über Winter bleiben und etwas Geld verdienen konnte: Die Glen Oro Farm!
Am 8. Januar machte ich mich also von Appleton, Wisconsin auf in Richtung Sault Ste. Marie, um da erneut die Grenze zu überqueren. Die Einreise nach Kanada war zum Glück deutlich entspannter als die in die USA. Der Grenzbeamte hat einen Blick auf meinen Reisepass und meine Arbeitserlaubnis geworfen und mich dann nach nur wenigen Minuten durchgelassen.
Von Sault Ste. Marie aus ging es dann noch bis Sudbury weiter, wo ich für die Nacht in einem Hotel angehalten habe. Das war eine ziemlich lange Fahrt, aber für den nächsten Tag war ein Schneesturm gemeldet, dem ich unbedingt aus dem Weg gehen wollte. Letztendlich kam ich auf der Farm an, gerade als der Schneesturm losging - perfektes Timing!
Glen Oro besteht aus mehreren Teilen: Es gibt hier ein Glamping Resort (glamouröses Camping), geführte Ausritte zu Pferd und einen Stall, in dem Privatleute ihre Pferde unterbringen können. In letzterem habe ich eine Anstellung als "Stable Hand" gefunden.
Das bedeutet, dass meine Arbeit daraus bestand, mich um die Pferde, die im Stall untergebracht sind, zu kümmern. Das beinhaltete vereinfacht gesagt, dass morgens alle Pferde auf die Koppeln gebracht werden, dann der Stall zu reinigen ist und abends alle wieder reingeholt werden. Tatsächlich gab es noch viele kleinere Aufgaben, die dazugehören, aber der Tagesablauf war im Großen und Ganzen sehr strukturiert und es hat sich schnell eine Routine eingestellt. Sogar Traktorfahren habe ich hier "gelernt" - zumindest geradeaus durch die Stallgasse 😅.
Der riesige Vorteil für mich: Auf Glen Oro kann man im Sommer auch heiraten, wofür es hier ein kleines Häuschen gibt, genannt das "Tack House", indem sich die Bräute fertig machen können. Über Winter ist dieses nicht in Gebrauch, sodass ich hier wohnen durfte! Besser hätte es für mich gar nicht kommen können und das Tack House ist so toll eingerichtet, dass ich mich hier sofort wohl gefühlt habe.
Zusammengearbeitet habe ich auf Glen Oro mit vier ganz lieben Menschen: Rachel, Pedro, unserer Chefin Leslie und Erika (von links). Außerdem hat uns bei manchen Aufgaben Phil unterstützt, Leslies Sohn. Am meisten Zeit habe ich dabei mit Rachel verbracht, die über die vier Monate, die ich hier war, zu einer richtig guten Freundin geworden ist.
Das Glen Oro Gelände ist unglaublich weitläufig und bietet tolle Wege zum Ausreiten, wofür ich mir öfter mal eines von Leslies Pferden, Lola, ausleihen durfte. Zusammen mit Rachel, aber auch alleine, hatte ich so einige lustige Ritte!
Neben den Pferden und einem Esel, Molly, die der lieben Mary gehört, gibt es hier noch eine ganze Horde an Hunden und zwei Stallkatzen, Miss Kitty und Archie, die zum dahinschmelzen süß zusammen sind. Leslie hat während ich hier war den kleinen Kraemer zu ihrem Rudel hinzugefügt, welches bereits aus Kelso, Fern* und Charlie* (*ohne Bild) bestand, die zusammen mit Phils Hündin Pepper auf der Farm wohnen. Außerdem bringt Erika ihren Hund Leo mit zu Arbeit, sodass hier regelmäßig bis zu sechs Hunde im Stall herumrennen und den Pferden die Karotten klauen.
Zwei Wochen lang hatte ich eine Pause davon, in "meinem" Tack House zu wohnen, weil ich für Leslies zweiten Sohn Luke, der das Glamping und die Ausritte betreibt, auf sein Haus samt Hündin Scout und Kater Nacho aufgepasst habe.
Ich hatte großen Spaß dabei Scout an meinen freien Tagen zu Wanderungen mitzunehmen und Nacho ist ein super zutraulicher Kater, der nach ein paar Tagen sogar bei mir im Gästebett geschlafen hat. Ich wollte die zwei gar nicht mehr hergeben, nachdem Luke wieder da war!
Ein ganz besonderes Erlebnis hat sich dann noch ganz spontan ergeben: Luke hatte, um Werbung für das Glamping und die Ausritte zu machen, ein Filmteam da, welches professionelle Bilder und Videos für einen Werbefilm gemacht hat. Für den Ausritt hatte er allerdings zu wenig Personal, das als Schauspieler herhalten konnte, weshalb ich zu dem Vergnügen kam!
Ein zweites besonderes Erlebnis während ich hier war: Am 8. April gab es in Nordamerika eine Sonnenfinsternis zu bestaunen, bei der der Pfad, in dem es sogar eine totale Finsternis war, gar nicht so weit von der Farm entfernt verlief. Das bedeutete, dass wir auf Glen Oro zwar keine totale Finsternis sehen konnten, aber fast! Leider war es an dem Tag sehr bewölkt, sodass wir es nur für ein paar Sekunden tatsächlich sehen konnten, aber gespürt hat man es auf jeden Fall! Es wurde plötzlich deutlich kälter und es lag, so komisch das jetzt klingen mag, irgendwie eine andere Atmosphäre in der Luft.
Mehr konnten wir leider nicht sehen, aber es war trotzdem spannend!
Die nächste partielle Sonnenfinsternis in Deutschland ist übrigens im März '25, bei der allerdings nur ein ganz kleiner Teil der Sonne beschattet wird, während im August '26 eine stattfindet, bei der es wohl etwas mehr zu sehen geben wird, allerdings ist diese während des Sonnenuntergangs. Die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland ist dann erst wieder im September 2081!
Kurz vor meiner Abreise durfte ich auch noch eine Nacht im Glamping übernachten, was ein absoluter Traum war, weil die kleinen, runden Hütten, die Domes, so wunderschön eingerichtet sind! Leider hatte ich keine sternklare Nacht, aber morgens hat es geschneit, was auch faszinierend zu beobachten war durch das große Fenster in meinem Dome.
Apropos Schnee: Davon hatten wir über Winter hier so einigen! Ich bin so richtiges Winterwetter ja gar nicht gewohnt, weshalb ich super fasziniert davon war, als wir mehr als knietiefen Schnee hatten. Die kältesten Temperaturen, die ich hier erlebt habe, waren etwa -20 °C, die sich aber mit dem Wind wie bis zu -28 °C angefühlt haben. Es war so kalt, dass im Tack House sogar die Wasserleitungen eingefroren sind und ich im Stall duschen musste.
Ab März hat das Wetter dann total verrückt gespielt, von -18 °C an einem Donnerstag ging die Temperatur innerhalb von vier Tagen auf +14 °C am Montag hoch, nur um zwei Wochen später wieder auf knapp -20 °C zu fallen. Und so ging das mehrere Wochen hin und her - von "Schnee" zu "der ganze Schnee ist geschmolzen" zu "es hat wieder mehr als 10 cm geschneit" in jeweils ein paar Tagen.
Wir haben für die Pferde extra Lagen unter die dicken Winterdecken gezogen, weil es so kalt war, nur um sie ein paar Tage später komplett ohne Decken rauszustellen, weil es so warm war. Das war für den Kreislauf gar nicht ohne und ich hatte an mehr als einem Tag ordentlich Kopfschmerzen, aber es war auch irgendwie lustig zu sehen. Ich habe es auf jeden Fall genossen, nach langer Zeit mal wieder einen "richtigen" Winter zu erleben.
Den bisher letzten Schnee gab es dann Ende April, der ist aber zum Glück nicht mehr liegen geblieben.
Sobald es das Wetter erlaubt hat, habe ich während meiner Zeit auf der Glen Oro Farm drei Ausflüge gemacht: Einen kurzen Trip zum Blue Mountain Ski Resort, um dort eine Achterbahn einzusammeln, einen Ausflug nach Toronto und einen zu den Niagara Fällen.
Im Blue Mountain Resort gibt es eine Sommerrodelbahn, die wir zu den Achterbahnen zählen, und die tatsächlich sehr viel Spaß gemacht hat nach der Winterpause! Außerdem war das der erste richtig schöne Tag nach längerer Zeit, sodass es wirklich gut getan hat, hier etwas Sonne zu tanken.
Am 27. März habe ich dann einen Tagesausflug nach Toronto gemacht. Toronto ist die größte Stadt Kanadas mit knapp 3 Millionen Einwohnern, wobei in der Gegend rund um die Stadt über 6 Millionen Menschen leben, fast die Hälfte aller Menschen, die in der ganzen Provinz Ontario wohnen. Die Hauptattraktion in Toronto ist der CN Tower, der Fernsehturm. Hier kann man auf 346 Meter hochfahren und von einer Aussichtsplattform aus die Aussicht über die Stadt genießen. Ich hatte bei meinem Besuch Glück und hatte super Wetter, sodass ich auch richtig weit gucken konnte.
Direkt neben dem Turm befindet sich das Ripley's Aquarium of Canada, welches ich direkt im Anschluss besucht habe. Für die zwei Attraktionen gibt es sogar ein Kombiticket, mit dem man einen vergünstigten Eintritt erhält. Am beeindruckendsten hier ist ein riesiges Wasserbecken mit zahlreichen Fischen, Haien und sogar Schildkröten, durch welches man in einem Tunnel unter der Wasseroberfläche durchgehen kann. Dieser Tunnel ist zusätzlich noch mit einem Laufband ausgestattet, sodass man sich auch einfach auf das Laufband stellen und sich durch den Tunnel fahren lassen kann. Dabei kann man sich dann umschauen, ohne darauf achten zu müssen, wo man hinläuft - sehr praktisch!
Zuletzt bin ich dann noch mit der Fähre auf eine Insel rausgefahren, die sich im See „Lake Ontario“ befindet, von der aus man auf die Stadt zurück gucken kann und die Skyline mit den vielen Hochhäusern und dem Fernsehturm bewundern kann.
Damit war mein Tag in Toronto abgeschlossen. Sicher kann man hier noch deutlich mehr machen, aber ich bin einfach kein Fan von Großstädten und war froh, als ich nach meinem Besuch hier wieder zurück auf der Farm war.
3 Wochen später, am 16. April, war ich dann bei den Niagara Fällen, die weltberühmten Wasserfälle und eine der größten Touristenattraktionen in ganz Nordamerika.
Die Größe der Fälle und die schieren Wassermassen, die hier unermüdlich über den Abgrund fallen, sind einfach unbeschreiblich! Hier stürzen auf einer Breite von 670 Metern 2832 m³ pro Sekunden 57 Meter in die Tiefe. So richtig bewusst wurde mir die Gewalt des Wassers erst, als ich in den Tunneln hinter den Wasserfällen war, von wo aus man auf die Rückseite der Fälle schauen kann. Da erlebt man dann auch das laute Rumpeln und Vibrieren, das durch das Wasser verursacht wird. Da kam ich mir doch ganz schön klein vor.
Auch an meinem Besuchstag hier hatte ich wieder Glück mit dem Wetter und hatte strahlenden Sonnenschein. Da haben das Erkunden und Fotografieren gleich doppelt so viel Spaß gemacht.
Im Besucherzentrum direkt an den Fällen habe ich zuerst die "Niagara's Fury" Vorstellung besucht. Dabei handelt es sich um eine zweigeteilte Attraktion, bei der man zuerst einen Animationsfilm über die Entstehung der Fälle schaut und dann in eine Art 360°-Kino kommt. In diesem runden Raum ist eine umlaufende Leinwand angebracht, auf der Videoaufnahmen der Fälle gezeigt werden. Gleichzeitig bewegt sich die Plattform auf der man steht und es werden Licht-, Nebel- und Wassereffekte eingesetzt. Dabei wird man dann auch richtig nass, weshalb man vorher einen Poncho ausgehändigt bekommt. Leider habe ich von dem Ganzen kein Foto gemacht, aber man kann auf der Website einen Eindruck davon bekommen, wie es aussieht. Das war eine ganz coole Erfahrung, die ich wahrscheinlich nicht eigenständig gebucht hätte, die aber in meinem Kombiticket, welches ich für meinen Tag hier hatte, inkludiert war.
Außerdem in meinem Ticket enthalten war eine Fahrt in einer Gondel, die etwas weiter flussabwärts über eine breitere Stelle des Wassers fährt, die der „Whirlpool“ genannt wird. Die Mitarbeiterin hier hat uns erzählt, dass ein Baumstamm, der vom hier entstehenden Strudel auf den Grund gezogen wird, erst 6-8 Wochen später wieder auftaucht. Daher ist jegliches Betreten des Wassers an dieser Stelle auch strengstens verboten, da es so lebensgefährlich ist.
Schließlich habe ich noch etwas die verrückte Touristen-Meile erkundet, in der es zahlreiche Restaurants und Attraktionen wie Geisterbahnen, Spiegellabyrinthe und Museen gibt. Ich war allerdings hauptsächlich hier, weil es auf dem Dach eines der Horror-Häuser eine Achterbahn gibt, die ich natürlich einsammeln musste. Zum Glück konnte man das eigentliche Spukhaus dafür umgehen, solche Sachen mag ich nämlich überhaupt nicht.
Mir hat mein Ausflug an die Niagara Fälle sehr gut gefallen! Die Fälle selbst sind unglaublich beeindruckend, das Wetter war super und alle Mitarbeiter an den Attraktionen waren sehr nett und hilfsbereit.
Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich vier Monate lang auf der Glen Oro Farm war - die Zeit verging wie im Flug! Zum Abschluss waren wir alle zusammen nochmal essen, wobei Pedro zu der Zeit leider im Urlaub war. Dafür sind Phil und Luke, Leslies Söhne mitgekommen.
Der Abschied am 1. Mai war dann bei weitem der schwerste, den ich auf der ganzen Reise bisher hatte. Über vier Monate wächst man mit den Menschen eben viel mehr zusammen, als wenn man nur drei Wochen irgendwo ist, und im Gegensatz zu meinen Verwandten ist es hier nochmal fraglicher, ob ich diese tollen Menschen irgendwann wiedersehe.
Ich hatte eine geniale Zeit hier und bin allen, die ich hier kennenlernen durfte, unglaublich dankbar dafür, dass ich Teil der Glen Oro Familie werden durfte - Ich werde alle unglaublich vermissen!
Seitdem ich Glen Oro verlassen habe, war ich nun eine Woche lang in Ajax, einer kleinen Stadt außerhalb von Toronto, wo ich mir das Ziel gesetzt hatte, meine Berichte wieder up-to-date zu bekommen. Es war mir sehr wichtig, das zu schaffen, bevor die Reise weitergeht, damit ich über die Erlebnisse, die jetzt auf meinem Weg in den Westen Kanadas passieren, zeitnah schreiben kann. Das ist hiermit nun geschafft, sodass morgen, am 10. Mai, der nächste Abschnitt meiner Reise endlich so richtig losgehen kann!
Comentarios